Vater-Sohn-Törn: Mit der Varianta rund Rügen
von Cord Böker


Im letzten Jahr an dieser Stelle habe ich davon berichtet, dass wir eher unverhofft zu einem
neuen Boot, unserer Varianta 65 „Carat“, gekommen sind und dass wir das Badesegeln auf
unserem schönen Plöner See für uns entdeckt haben. Allerdings war an sich von Anfang an
auch klar, dass wenn wir nun schon ein einigermaßen seetaugliches Schiff haben, wir damit
auch wirklich in See, also die Ostsee, stechen wollten. Von diesem tollen und
abenteuermäßigen Vater-Sohn-Törn auf eigenem Kiel haben Joris und ich dann den ganzen
letzten Winter geträumt!
Konkretes Ziel unserer Reise: einmal um Rügen segeln. Das ist gut in einer Woche machbar,
ein sehr schönes Revier sowieso, und trailermäßig gut zu erreichen.
So sind wir also am 15. Juli, einem Freitag, aufgebrochen nach Neuhof, eine Stunde östlich
von Stralsund (mit dem Schiff), wo wir um 16:00 Uhr einen Krantermin reserviert hatten. Das
ist zwar stressig, wenn man vorher noch bis auf den letzten Drücker arbeitet, lohnt sich aber
absolut, denn sobald man im Auto sitzt, fällt Anspannung und Stress sofort ab und der Urlaub
beginnt. Beim Kranen hat dann auch alles gut geklappt, und bereits anderthalb Stunden
später war der Mast gesetzt, die Segel angeschlagen und das Auto weggeparkt.
Leider war nur ein wenig zu viel Wind – bei 6-7 Beaufort und neuem, noch nie ausprobiertem
Außenborder, wollten wir uns dann doch nicht raustrauen. So sind wir den Samstag zunächst
in Neuhof geblieben und haben Stralsund mit dem Auto (das hatten wir da ja noch vor Ort)
besucht. Auch sehr schön! Am Sonntag sollte der Wind etwas weniger werden, und aufgrund
der Wettervorhersagen hatten wir uns entschieden, Rügen im Uhrzeigersinn zu umrunden.
Damit wir also in Stralsund gleich die erste Brücke um 8:20 erwischen konnten, hieß es früh
aufstehen. Nachdem wir bei eher trübem Wetter mit dem neuen Motor gegen den Wind dort
hingetuckert sind und durch die Brücke waren, verzogen sich die Wolken, und wir konnten
bei bestem Wetter und 4-5 Windstärken in dem von Wellen geschützten Fahrwasser östlich
Hiddensee wie auf Schienen nach Kloster rasen! Nun ja, „Rasen“ heißt auf einer Varianta 65
mit zweitem Reff und kleiner Fock: immerhin bis zu 6 Knoten – ein Riesenspaß!
Übrigens hatte ich mir fest vorgenommen, auf dem Törn viel mit meiner GoPro zu filmen und
dann hinterher ein schönes Törnvideo auf YouTube zu stellen. Gewissermaßen als Hommage
an Christian Dörges, der mit seinem Kumpel Norbert bereits etliche Nord- und Ostseetörns
absolviert und tolle Filme davon auf YouTube gepostet hat – die waren mit ihrer Varianta
„Fliege“ schon auf Bornholm! Leider habe ich aber meine GoPro beim ersten Ablegemanöver
in Neuhof im Hafenbecken versenkt! So wurde es also nichts mit „viel Filmen“, nur ein paar
Handyvideos…
Jedenfalls hat unser Norbert Kloster bereits vorher als einen seiner Lieblingshäfen
angepriesen, und er hat nicht übertrieben. Es erwartete uns ein richtig toller Hafen, mit einem
superfreundlichen Hafenmeister: schon von Weitem winkte er uns zu sich und wies uns einen
Liegeplatz zu – direkt am Anfang vom Steg, quer über zwei Liegeplätze. Er sagte, das sei ihm
lieber, als wenn ein längeres Schiff aus der recht kurzen Box in die Fahrrinne rage. So hatten
wir einen richtig tollen Platz zwischen all den großen Schiffen. Von der anderen Hafenseite
war das fast wie ein Suchbild…
Wir haben dann jedenfalls einen großartigen Sommer-Urlaubstag mit
Leuchtturmbesichtigung, Strandspaziergang und Faulenzen genossen.
Der Plan für den nächsten Tag sah vor, dass wir Kap Arkona runden und nach Lohme fahren.
Einige der Mitsegler auf den großen Schiffen bekamen da fast schon große Augen – rund
Arkona, bei dem Schwell nach dem Wind die letzten Tage? Aber der Schwell war ja mit uns
und was soll ich sagen – es ist schon toll wie sicher man sich auf so einer kleinen Nussschale
fühlen kann. Die Varianta ist ganz brav durch die etwas höheren Wellen gesurft – aber so hoch
waren die dann auch gar nicht.
In Lohme angekommen haben wir einen Vorteil des kleinen Schiffes genutzt – man findet
wirklich überall einen Platz. In dem Fall ganz tief drin im Hafen, wo sonst nur die kleinen
Angelboote wegen des Tiefgangs hinpassen. Dann hat neben uns ein fast genauso kleines
Schiff (6,80 m) angelegt. Der Eigner fragte, wo wir denn herkommen, und ich sagte, dass er
das bestimmt nicht kenne – Godau, am Plöner See. Er sagte nur, das kenne er sehr gut, sie
kämen aus Ascheberg! So klein ist die Welt…
Apropos kleines Schiff. Als Vater-Sohn-Törn auf einer Varianta 65 ist man natürlich immer so
ein wenig Sieger der Herzen. Komfort geht allerdings anders, man muss schon gelenkig sein
und damit leben können, dass man gefühlt dreimal täglich das gesamte Schiff umräumt. Aber
wenn man dann im Cockpit sitzt und irgendwie improvisiert sein Frühstück mit frisch
gebrühtem Kaffee in der Sonne genießt, ist das schon richtig cool! Zum Glück hatten wir die
ganze Woche gutes Wetter…

Von Lohme ging es weiter nach Sassnitz – wegen der totalen Flaute leider überwiegend per
Motor. Dabei kann man prima den Ausblick auf die Kreidefelsen genießen – wenn man die
vielen Ausflugsschiffe ausblenden kann. Nach Kloster und Lohme ist Sassnitz nun nicht
besonders hübsch, aber gut zum Einkaufen – und eine Pizzeria ist direkt vor dem Steg. Am
nächsten Tag auf dem Weg in den Greifswalder Bodden haben wir uns von Sassnitz bis kurz
vor dem Thiessower Haken eine Wettfahrt mit einer Bavaria 38 geliefert – bis die anderen
aufgegeben und den Motor angeschmissen haben. Ha!
Im Bodden sind wir dann nach Gager gegangen – wieder ein sehr schnuckeliger kleiner Hafen,
der natürlich zu Wortspielen bei Bootsnamen einlädt – die „Lady Gager“ durfte nicht fehlen.
Davon abgesehen ist die Landschaft dort und überhaupt im Greifswalder Bodden ja einfach
nur schön.
Den Abschluss hat dann die letzte Etappe von Gager nach Gustow gemacht. Gustow liegt
direkt gegenüber von Neuhof, auf der anderen Seite des Strelasunds, und wir wollten dort
noch eine Nacht in einem fremden Hafen verbringen, bevor es den nächsten Tag wieder zum
Kranen und nach Hause ginge. Gustow ist eine top-moderne Marina mit allerbesten
Sanitäreinrichtungen, Billardtisch und Brötchenservice, sehr zu empfehlen. Und wir haben
dort auch eine alte Bekannte getroffen, sozusagen: die „ougenweide“ war mit ihren
Charterern ebenfalls zu Besuch!
Nach einem letzten schönen Abend mit an Bord gekochten Nudeln (der handgefertige, 50
Jahre alte Spirituskocher funktioniert tatsächlich einwand- und absolut rußfrei!) ging es dann
am nächsten Tag wieder nach Hause. Was bleibt nach so einem herrlichen Vater-Sohn-Törn?
Viele Erinnerungen an Freiheit, Anlegebiere, „quality time“ zu zweit, „rasante“ Segelaction –
einfach ein großartiges Erlebnis und die Lust auf mehr!

Vater-Sohn-Törn: Mit der Varianta rund Rügen (2022)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner